Der Chauffeur Kasimir befindet
sich mit seiner Verlobten Karoline auf dem Münchener Oktoberfest.
Sie will sich amüsieren, Kasimir ist jedoch nicht zum Feiern zumute,
da ihm gerade seine Anstellung gekündigt wurde. Deshalb kommt es
zu einer Auseinandersetzung zwischen ihnen. Ihre Wege trennen sich zunächst.
Im Laufe der Handlung begegnen sie einander mehrfach, eine Versöhnung
liegt greifbar nahe, ihre Gespräche enden jedoch immer wieder in
Streit.
An einem Eisstand lernt Karoline den Zuschneider Schürzinger kennen,
der ein Auge auf sie geworfen hat. Auch zwei gut betuchte Herren, der
dicke Kommerzienrat Rauch (Schürzingers Vorgesetzter) und der Landgerichtsdirektor
Speer finden Gefallen an Karoline. Sie lässt sich den Rest des Abends
von den beiden Herren ausführen, während Schürzinger –
von Rauch eingeschüchtert – im Hintergrund bleibt. Karoline
will mit dem Kommerzienrat in dessen Wagen „nach Altötting
fahren“. Im Auto erleidet dieser jedoch einen Zusammenbruch, nachdem
Karoline ihm durch ihr beherztes Eingreifen das Leben rettet, und landet
in der Sanitätsbaracke. Dort erfahren sie, dass noch ein weiterer
Unfall geschehen ist: Speer wurde bei einer Schlägerei der Kiefer
gebrochen. Angesichts dieser Situation besinnt sich Rauch auf ihre Freundschaft
und lässt Karoline schnell wieder fallen. In der Zwischenzeit streift
Kasimir durch die Festzelte, betrinkt sich mit dem Kleinganoven Merkl
Franz, der Kasimir für zu lasch gegenüber Karoline und ihrem
neuen Begleiter hält. Als Franz auf dem Parkplatz Autos aufbricht,
stehen Kasimir und Erna für ihn Schmiere. Der Kleinkriminelle wird
jedoch auf frischer Tat ertappt, verhaftet und abgeführt.
Kasimir und Erna bleiben gemeinsam auf einer Parkbank zurück. Als
Karoline erscheint, um sich mit Kasimir zu versöhnen, weist dieser
sie zurück. Nun lässt sie sich auf Schürzinger ein, der
ihr ihren Platz in der Gesellschaft sichern kann.
Matthias Pantel: Warum Kasimir und Karoline?
Das 1931/32 entstandenene Stück Kasimir und Karoline, nannte
Horváth selber eine Ballade von stiller Trauer, gemildert durch
Humor. Es
spielt vor dem Hintergrund der rasant zunehmenden Arbeitslosigkeit der
damaligen Weltwirtschaftskrise. Um sich von der äußeren Krise
abzulenken und die innere Leere zu betäuben, stürzen sich Horvárts
Figuren in einen schrill-sinnlosen Vergnügungstaumel. Unter dem
starken Einfluss von Alkohol entfacht sich ein unaufhaltsamer dumpf-melancholischer
Tanz am tiefen Abgrund.
Die Auswirkung wirtschaftlicher Not auf die Psyche und die zwischenmenschlichen
Beziehungen der einzelnen Figuren sind Grundthema des Stückes und
damit auch heute hoch aktuell.
Hierzulande gibt es tausende Kasimirs und Karolines. Um sich von ihren
Unsicherheitsgefühlen und ihren Ängsten, ausgelöst u.a.
durch die aktuelle Krise, abzulenken, und um den immer stärker werdenden
Anforderungen der Arbeitswelt zu entfliehen, stürzen sich viele Menschen
heute ins Vergnügen. „Trotz Abschwung ins Riesenrad“
titelte die Süddeutsche Zeitung im April 2010 in ihrem Wirtschaftsteil
und berichtete darüber, dass die Deutschen im vergangenen Jahr trotz
Krise und Abschwung sich nicht haben abhalten lassen, Volksfeste zu besuchen.
Wenn es nicht das klassische Volksfest ist, dann ist es Public Viewing,
die Queen Mary 2 oder man tritt den Rückzug ins Private an und schaut
DSDS oder Reality-Soaps. Der Hunger nach Zerstreuung wird immer grösser
und die Futtertröge sind gut gefüllt. Da das historische Stück
einen modernen Inhalt hat, können wir uns gemeinsam in dieser Arbeit
mit hochaktuellen und wichtigen Themen auseinandersetzen. Damit läßt
sich die Dimension und Zeitqualität von Kasimir und Karoline untersuchen,
erkennen und sichtbar machen.
So können die Schüler sich als Interpretierende zu den Themen
in Beziehung setzen und ihre eigenen Standpukte herausarbeiten.
Über die beschriebene Aktualität und über die Zeitbezüglichkeit
von Kasimir und Karoline hinaus, möchte ich mit den Schülern
gemeinsam
das Thema Mensch - Arbeit - Glück mit folgenden Fragestellungen weiter
vertiefen und zur Diskurssionsgrundlage unserer Zusammenarbeit und
Inszenierung machen:
- Macht es glücklich, Arbeit zu haben?
- Macht es unglücklich, keine Arbeiten zu haben?
In dem Stück Kasimir und Karoline ist auffällig, daß die
Charaktere, die Arbeit haben und auf der sicheren Seite zu stehen scheinen
(was
die überwiegende Mehrzahl ist), nicht glücklicher und erfüllter
sind als der arbeitslose Kasimir, der isoliert von den anderen zu sein
scheint. Obwohl die Arbeitenden von der Gesellschaft eine viel höhere
Wertschätzung erfahren, weil z.B. ihre Lebensleistung eindeutiger
zu messen ist und obwohl es ihnen materiell viel besser geht, sie ein
geregeltes Leben führen und eine Zukunftsperspektive haben, wirken
sie unter der gezeigten Oberfläche nicht glücklicher und freier,
sondern irren (obwohl sie sich vergnügen wollen) verloren, traurig
und nach Liebe suchend auf dem Rummelplatz umher.
Es besteht mit diesem Stück für das Ensemble die Möglichkeit,
sich kritisch damit auseinander zu setzen, wann und warum Arbeit erfüllend,
schöpferisch und sinnstiftend ist und wann und warum sie es nicht
ist.
Welche Rolle der einzelne Mensch dabei spielt und welche die Gesellschaft,
in der wir leben, ist zu untersuchen.
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