Wer arm ist, stirbt früher...
...Wer reich ist, lebt länger.
Wer arm ist, kann sich keinen Duplik leisten...
...Wer reich ist, hat
- ein Duplikat von sich selbst,
- ein gen-identisches Erzeugnis,
- ein lebendes Ersatzteillager,
- einen Duplik.
Der spannende Roman "Duplik Jonas 7" von Birgit Rabisch bildete
die Vorlage für dieses vom Thema her äußerst brisante
und zugleich höchst aktuelle Theaterprojekt. Das in die Schlagzeilen
geratene Klonen von Tieren, das auch die Möglichkeit des Klonens
von Menschen nicht mehr ausschließt, gibt zu denken.
In "Duplik Jonas 7" prallen zwei konträre Auffassungen
auf einander: Dupliks können für schwer oder unheilbar Erkrankte
Rettung bedeuten, wenn man ihnen gen-identische Organe entnimmt, um sie
dem Erkrankten oder auch Unfallgeschädigten zuzuführen. Gleichzeitig
stellt sich aber auch die Frage nach der moralischen Bejahung dieses Heranziehens
von gleichsam „lebenden Ersatzteillagern“. Sind diese unter
Ausschluss der Öffentlichkeit heranwachsenden Wesen noch als vollwertige
Menschen zu bezeichnen, oder darf man sie tatsächlich als „Nicht-ganz-Menschen“,
eben als „Du-pliks“, jederzeit medizinisch „ausschlachten“,
um „normalen“ Menschen dadurch in Notfällen zu helfen?
Mit dieser Thematik wird sich der Zuschauer auseinandersetzen müssen,
wenn er diese KGS-Aufführung(en) besuchen möchte - keine leichte
Kost...!
Um Wort und Inhalt im Mittelpunkt zu belassen, wurden Bühnendekoration
und Requisiten auf ein Minimum reduziert. Die Umsetzung des Stoffes orientiert
sich an der Romanvorlage von Birgit Rabisch, verzichtet aber auf die Darstellung
der Vorgeschichte (das Leben von Jonas 7 im Hort) und auf weitere Nebenhandlungsstränge
(etwa die genauere Darstellung der Freundschaft von Jonas Helcken zu Mehmet
oder die der direkten Konfrontation mit seinem Vater). Vielmehr hat sich
der Theaterprojektkurs auf die eigentliche Problematik der Romanvorlage
beschränkt, um diese - eher wie eine Kurzgeschichte - in kurzen Einblendungen
auf den Zuschauer wirken zu lassen. So ist auch der veränderte Schluss
zu verstehen, der bewusst von der Vorlage abweicht, um pointiert den Zuschauer
zu schockieren und zu provozieren, ihn mit einem zwar staatlicherseits
scheinbar gelösten, menschlich gesehen aber völlig offenen Problem
nachdenklich gestimmt nach Hause zu entlassen. Wir bedanken uns an dieser
Stelle bei der Autorin für ihr Verständnis hinsichtlich dieser
Veränderung(en).
Zur Handlung im einzelnen: Menschen werden vorwiegend nur noch
im Reagenzglas durch das Zusammenbringen entsprechender Zellen „gezeugt“.
Das schafft gleichzeitig die Möglichkeit, ein gen-identisches Lebewesen
zu „klonen“, sozusagen ein „Duplikat“ bzw. einen
„Duplik“ (daher der Titel) herzustellen, der dann abgesondert
in einem Hort heranwächst und als „lebendes Ersatzteillager“
zur Verfügung steht, was sich wiederum nur reichere Menschen „leisten“
können, die die Unterhaltskosten für besagten Duplik aufbringen
können. Jonas Helcken kommt aus so einem reichen Elternhaus. Bei
einem Verkehrsunfall verliert er sein Augenlicht. Seinem Duplik „Jonas
7“ werden daraufhin kurzerhand die Augen herausoperiert und ihm
transplantiert. Erfolg: Er kann wieder sehen, sein geklonter Zwillingsbruder
indes, von dessen Existenz er zunächst noch nichts weiß, ist
nun blind.
Ilka, Jonas' Schwester, arbeitet mehr oder weniger verdeckt bei der vom
Staat als terroristische Vereinigung gebrandmarkten Organisation der Lebensschützer
mit, die sich die Abschaffung des Duplikwesens zum Ziel gesetzt hat. lhr
gelingt es, Jonas für die Entführung seines Dupliks aus der
Klinik zu gewinnen. Erstmals kann sie auf einem „Bekenner- Video“
der Öffentlichkeit in einer Talk-Show, quasi vor laufenden Kameras,
einen „ech-ten“ Duplik präsentieren und beweisen, dass
es sich bei den „lebenden Ersatzteillagem“ um ganz normale
Menschen handelt, die exakt die gleichen Gefühle haben wie ihre „Zwillinge“,
die „normalen“ Menschen. Als der Staat versucht, Jagd auf
den entführten Duplik zu machen, beschließt Jonas, ihn mit
Hilfe seiner Gen-Karte ins Ausland zu schaffen. Ein erster Versuch am
Flughafen läßt jedoch Zweifel am Gelingen des Unternehmens
aufkommen: „Securities“ haben die Gates abgeschottet und kontrollieren
peinlich genau jeden Fluggast.
Durch die Retransplantation eines Auges werden Jonas und sein Duplik wieder
„identisch“. Einer Flucht würde nun nichts mehr im Wege
stehen - aber Jonas 7 weigert sich plötzlich, das Land zu verlassen
- er will zusammen mit den „Lebensschützern“ den anderen
Dupliks im Lande helfen. Der „Staats-apparat“ spürt ihn
auf: Das Versteck wird entdeckt, er selbst bei der Polizeiaktion erschossen...
(Aus dem Programmheft)
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