Ort und Zeit: Ein Dorf in
der Nähe von Utrecht um 1800
Schauplatz: Wohn- und zugleich Amtsstube des Richters Adam
Inhalt:
Der Gerichtsschreiber Licht trifft frühmorgens den Richter Adam in
dessen Wohn-/amtsstube jämmerlich zugerichtet an. Mit fadenscheinigen
Erklärun-gen versucht Adam, seinen Schreiber von seinem Zustand abzulenken.
Er erfährt, dass sich der Gerichtsrat Walter zu einem Revisionsbesuch
ange-sagt hat und bereits im Nachbarort einen Richterkollegen abgesetzt
hat, weil dieser sich als unfähig erwiesen hat. Adam bekommt Angst
und kann nur noch das Nötigste veranlassen - da erscheint der Gerichtsrat
Walter bereits. Da obendrein noch Gerichtstag ist, lässt sich eine
genaue Kontrolle der Amtsführung Adams durch Walter nicht mehr verhindern.
Ausgerechnet an diesem Tag steht eine Sache zur Verhandlung an, in die
- wie sich nach und nach herausstellt - Adam selbst unmittelbar verstrickt
ist: Ein wertvoller Krug wurde im Zimmer der bislang unbescholtenen Eve,
der Tochter von Frau Marthe Rull, zerbrochen. Frau Marthe Rull besteht
auf Schadensersatz und erhebt Anklage gegen unbekannt. Allerdings bringt
sie einen möglichen Verdächtigen gleich mit: den Verlobten ihrer
Tochter, Ruprecht, den Sohn Veit Tümpels, den sie in dem Zimmer Eves
inmitten der Scherben des Kruges überrascht hat. Eve ihrerseits hat
ihr gegenüber in der Tat Ruprecht als Täter beschuldigt, doch
schien das so ganz überzeugend doch nicht gewesen zu sein, zumal
Ruprecht die Tat energisch bestreitet. Adam, dem die ganze Sache sehr
peinlich zu sein scheint, legt ein merkwürdiges Verhalten an den
Tag. Er versucht die Verhandlung vorzeitig zu beenden, dann wieder gibt
er vor, krank zu sein und die Verhandlung nicht mehr weiterführen
zu können, dann wieder versucht er, mögliche Zeugen einzuschüchtern,
kurz: Er macht sich in höchstem Grade verdächtig, in irgendeiner
Weise mit der Sache zu tun zu haben. Direkt darauf angesprochen, verstrickt
er sich mehr und mehr in Widersprüche und steht am Schluss tatsächlich
da als der eigentliche Täter. Seine Scheinermittlungen geraten zur
Farce, die Verurteilung Ruprechts zu einer himmelschreienden Ungerechtigkeit,
sein Verhalten ist eines Richters unwürdig. Doch erst als die Indizien
sich verdichten und Eve ihn entlarvt als denjenigen, der abends in ihr
Zimmer gedrungen ist und sich ihr in unverschämter Weise genähert
hat und nur durch das plötzliche Auftauchen Ruprechts in die Flucht
geschlagen werden konnte, wobei jener besagte Krug zerbrach, erst da sucht
er sein Heil in der Flucht. Seine Perücke, die „Würde“
seines Amtes, die die Frau Brigitte unter dem Fenster Eves gefunden hat,
bleibt in Ruprechts „sauberen“ Händen zurück, als
dieser versucht, Adam an der Flucht zu hindern.
Die Auswahl des Theaterstückes DER ZERBROCHNE KRUG
von Heinrich von Kleist für die diesjährige - seit 1984 immerhin
8. groBe - Theaterproduktion eines Theaterprojektkurses der KGS hatte
einen ganz schulinternen Hintergrund: In mehreren Klassen wurde dieser
Klassiker im Deutschunterricht behandelt, und immerhin 8 der Mitglieder
dieses Projektkurses von insgesamt 14 sind davon direkt „betroffen“
gewesen. So konnte in der ersten Besprechungsphase, in der es um Inszenierungsfragen,
um die endgültige Strichfassung und auch um das mögliche Szenarium
ging, quasi „aus dem Vollen“ geschöpft werden, und etliche
gute Ideen konnten aus dem Unterricht gleich mit eingebracht werden.
Die eigentliche Arbeit allerdings blieb natürlich letztlich der Theatergruppe
vorbehalten, die mit viel Fleiß und Einsatz versucht hat, die vielen
Ideen umzusetzen.
Das Stück selbst stellt textlich wie darstellerisch
an alle Beteiligten höchste Ansprüche und ist für Schüler
sicherlich nicht einfach auf der Bühne zu realisieren. Hinzu kommt
noch, dass es ein s o populäres Stück ist, das immerhin It.
Bühnenstatistik seit 14 Jahren zu den am häufigsten aufgeführten
Komödien an deutschen Schauspielhäusern zählt, was sicherlich
keine „leichte Hypothek“ für die Schüler darstellt.
Dennoch haben sie sich von all dem nicht beeindrucken lassen und konsequent
ihren eigenen Inszenierungsweg gesucht.
So verzichteten sie ganz bewusst auf detailgetreues Zeitkolorit und verlegten
die ganze Handlung in einen düsteren, schwarzen Raum, in dem selbst
die wenigen Möbel - 2 Tische, 6 Hocker, 3 Stühle - schwarz sind.
Gleichfalls zeitlos schwarz sind die Richterrobe Adams, der Gehrock Lichts
und der Anzug Walters - der 3 Vertreter der Obrigkeit also. Lediglich
die anwesenden Bürger - Frau Marthe Rull, Eve, Veit Tümpel,
Ruprecht und Frau Brigitte - stellen einen hoffnungsvollen Farbtupfer
durch ihre ein wenig folkloristisch anmutende Kleidung dar, die sich etwas
an der holländischen Kleidung der damaligen Zeit orientiert. Die
Finsternis der Umgebung des Handlungsgeschehens, das trostlose Schwarz,
soll ganz bewusst einen Kontrast bilden zu dem eigentlich als Lustspiel
konzipierten Drama (vgl. Untertitel), geht es doch letztlich alles andere
als lustig zu, sieht man einmal von dem derben Humor und der Situationskomik
ab. Die Figur Adams wird eher von einer gewissen Tragik geprägt,
ist er doch letztlich Ankläger und Angeklagter, Verfolger und Verfolgter
in einer Person, einerseits „gerissen“, andererseits „erbärmlich“:
ADAM, der mit aller Macht und Tücke EVE begehrt, dabei Lüge
und Ungerechtigkeit nicht scheut und vom WALTER der Gerechtigkeit entdeckt
wird, der LICHT an die Stelle des Dunkel verbreitenden Richters setzt
(Vgl. dtv Kindlers Lit.-Lex., Bd.23, S.10373). Die dunkle, düstere
Umgebung soll zugleich auch eine gewisse Zeitlosigkeit andeuten, denn
von der Aussage her gesehen kann sich eine solche Handlung überall,
immer ereignen, ja sie erfährt in irgendeiner Weise immer wieder
von neuem eine traurige Aktualität, zuletzt vielleicht nach dem Ende
der DDR, wo auch, Dank geschulter, juristisch gebildeter Leute bestimmte
Dinge nie so recht an das berühmte Tageslicht kommen wollten und
wo die alten Amtsinhaber oft auch die neuen Amtsinhaber (geblieben) sind.
Wahrscheinlich wird Kleists ZERBROCHNER KRUG immer aktuell bleiben, solange
Menschen in gehobenen Positionen (un-) menschlich agieren.
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