Mit einem Experiment rückten
die Schüler den verwöhnten Theaterbesuchern im Theaterforum
der KGS zu Leibe: In einem nach eigenen Vorstellungen konzipierten Abend
machten sie auf Werke des absurden Theaters aufmerksam, die durch ihre
Kargheit in Wort und Gestus bestechen.
Gemäß der Maxime Schönbergs, Kunst habe nicht schön,
sondern real zu sein, gelang es Imke K. Nost, Peer Steinwald und Sebastian
Hesse, im Kurzdrama „Katastrophe“ Becketts
Vision der Herrichtung eines Opfers mit dem Medium des Theaters beklemmend
in Szene zu setzen. Dabei nutzten sie die Möglichkeiten des Bühnenbildes,
das einen weißen Raum vorführte und beleuchtungstechnisch den
atmosphärischen Notwendigkeiten an gepaßt werden konnte, voll
aus: die Sterilitat des Ambiente wurde durch eine scheinbar nicht weiterkommen
wollende Sprachdiktion und elektroakusti-sche Verfremdung betont.
Das Stück schrieb Samuel Becket für den inhaftierten tschechischen
Bürgerrechtler Vaclav Havel. Anlaß dafür war die „Nacht
für Vaclav Havel" in Avignon, zu der die Organisation für
verfolgte Künstler, AIDA, Schriftsteller verschiedener Nationalitäten
gebeten hatte, Szenen, Monologe und Kurzstücke zu schreiben. Die
deutschsprachige Erstaufführung dieses Stückes, übrigens
in der Regie von Günter Krämer, fand am 1.10.82 in Stuttgart
statt.
Zu einer „dreiminensionalen Stilisierung der Bilder der Öffnung
der Konzen-trationslager durch die Siegermächte, in denen die Gleichwertung
der KZ-Insassen mit Unrat und Dingen des Alltags drastisch zu erkennen
ist", geriet die 30-Sekunden-Szene „Atem“.
Hier gelang es, Bühnenbild, Ton und Licht haargenau abgestimmt im
Dienste der Steigerung des Gesamtein-drucks zu verbinden. Dies ist gerade
deswegen einer besonderen Erwäh-nung wert, da die Kommunikation nur
über die Bühne laufen konnte und eine direkte Verständigung
der Licht- und Tontechniker nicht möglich war.
Imke K. Nost interpretierte, begleitet von Musiklehrer Adolf Thelen, „The
Wonderful Widow Of Eighteen Springs" von John Cage. Diese
Komposition ist für "Voice und Closed Piano"
geschrieben, d.h. der Pianist benutzt sein Instrument als Schlaginstrument,
in dem er genau festgelegte Rhythmen auf dem Klavierdeckel, dem Notenständer
und auf der Tastatur-Unterseite schlägt. Die Gesangsmelodie ist bewußt
schlicht gehalten und erinnert an amerikanische Folk-Songs.
Zur Überraschung trug sicher das berühmte Werk „4:33“
bei. In ihm passiert in der vorgeschriebenen Zeit von vier Minuten und
33 Sekunden - gar nichts. Keine Kunst ohne Sinn: Angezweifelt wird sicherlich
das kompositorische Bemühen überhaupt, zweitens macht das Publikum
Musik, Geräu-sche - eine interessante Schöpfung. Das Werk ist
übrigens als Schallplatte erschienen.
Der Theaterabend schloss mit zwei Kurzstücken von Beckett: In
„Quadrat“ demonstrierten Sebastian Hesse, Peer Steinwald,
Jens Taberski und Tobias Reisig, unterstützt durch Andre Rulfs, Thomas
Kummer, Ralph Tegtmeyer und Adolf Thelen als Schlagzeuger, jeweils auf
einen Schauspieler fixiert durch unabhängige Schrittmuster beim Durchqueren
eines umgrenzten Raumes die Isolation Beckett'scher Figuren. Die Monotonie
wird „vorgeführt“ und reizt dadurch zur Auseinandersetzung
mit dem Publikumsan-spruch an unterhaltsames Theater schlechthin.
„Ohio Impromptu“ - eine Lebensendgeschichte, nach
der nichts, gar nichts mehr kommt: Der Leser wird vom Hörer allein
durch Klopfgeräusche unter-brochen und zur Wiederholung von Passagen
seiner Lebensgeschichte ver-anlaßt. Die Nationalhymne und der Testton
des Fernsehens waren der Ar-beit an diesem 10-Minuten-Stück entsprungen
und haben sich (hoffentlich) in der beabsichtigten Art und Weise dem Zuschauer
mitgeteilt.
(aus : KGS - Brinkum, Schuljahr 89/90, Nr.8, S.7 ff)
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